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Ihr Kinderlein kommet…

Sonntag, November 23rd, 2008 | Author:

Es weihnachtet sehr. Menschen trage kurze Kleidung und die Supermärkte sind voll amerikanischster Weihnachtsdekoration. Weihnachten isst man hier Fisch und anderes Meeresgetier, weil es angeblich zu warm für Braten ist. Das mit der Sommerhitze halte ich aber für ein Gerücht. Ja, vor ein paar Tagen war es mal zwei Tage heiss. Den Rest der letzten zwei Wochen hat es geregnet und war es kalt. So auch dieses Wochenende, an dem Nicole mich mit zur Central Coast nahm, wo sie herkommt. Leider hatten wir auf etwas besseres Wetter gehofft, und ich hatte Nicole geglaubt dass es trotz Regen auf jeden Fall warm sein würde. Leider war das nicht der Fall und ich fror mir zwei Tage lang rund um die Uhr den ab.

Trotzdem war es schön. Wir liefen stundenlang durch den Regen, einen Klippenpfad entlang, an dessen Rand im Busch schwarzverkohlte Bäume zwischen tausender schneeweissen Blumen hervorragten. Nach rechts sah man aufs weitoffene Meer, das in nebligen Dunst verschwand. Schroffe Schönheit und in Hauch düstere Mystik. An einer Felsküste beobachteten wir Pelikane und die schäumende Gischt, die meterhoch an den Klippen emporspritzt, und das Wasser, das durch die Löcher im Gestein gespült wird und über die Steine flutet. Aber ich will euch nicht mit Landschaftsbeschreibungen langweilen.

Eigentlich wollte ich mich beschweren, denn der Rest des Wochenendes war ein ziemliches Disaster. Dabei schien es Samstag noch recht vielversprechend anzufangen. Mein Chef nahm es gefasst hin, dass ich (kleine Notlüge miteingeschlossen) nicht dableibe, sondern zurück nach Deutschland gehe. Tapfer quälte ich mich durch drei weitere Fotoshootings mit Kleinkindern, die bespasst werden wollen, kreischen und weinen, Bälle werfen und zu der Kinder-CD herumhüpfen die ich schon das achte Mal diese Woche auf voller Lautstärke gehört habe. Dazu kommen die Eltern, die bei Laune gehalten werden müssen und sich nach einer zweistündigen Stresstortur noch in einem aufwendigen Auswahlprozess mit ungeschultem Verkauspersonal (Fotografen sind einfach keine Businessleute, und Cheffrauen immer zu geldgierig) für Fotos entscheiden müssen bei denen der kleinstmögliche Print 150 $ kostet.

Das kostet Nerven. Mit Freude sah ich dementsprechend einem entspannten Weiberabend an der Centralcoast mit Nicoles Freundin Shae entgegen, der viel gutes Essen und Wein beinhalten sollte. Aus irgendeinem Grund hatte ich nicht vorhergesehen dass Shaes hyperaktiver vierjähriger Sohn keinen Babysitter hatte, sondern aktiver, sehr lauter Teil unseres Abends sein würde. Der Kleine jellte alles was ihm einfiel (und das war eine Menge) in trommelfellzerfetzender Lautstärke heraus, und schon nach zwei Minuten im Auto betete ich, dass dies schnell ein Ende finden möge. Insbesondere hatte er sich den fruchtlosen Befehlston seiner Mutter angeeignet und gab seinen Wünschen laustark und von einem “NOW!” begleitet Ausdruck. Einzig wirksames Erziehungsmittel schienen gefakte Telefonanrufe der Mutter an die Polizei und Oma zu sein.

Verkaterte Mama und Kind hatten am nächsten Morgen Cornflakes zum Frühstück und mir war kotzeschlecht vor Hunger als wir nach elend langer Vorbereitung, Duschen, Anzieherei und Rumfahrerei in einem Cafe auch endlich etwas zwischen die Zähne bekamen.
Ich war heilfroh danach Mama und Kind zu verlassen, und war beruhigt das Nicoles kleine Nichte, die wir mit auf unsere Tour nahmen, ein ruhiges, nettes Kind ist. Ich war auch froh endlich im Zug zu sitzen, wo die anwesenden Kinder nicht zwei Stunden lang direkt in mein Ohr schrien, sondern ein paar Sitze weiter. Am allerfrohesten war ich aber als wir wieder in Sydney waren.

Meistens machen einen die Eltern und ihr Verhalten noch wütender als die Kinder. Unzählbare Male habe ich in den letzten zwei Wochen gedacht: “never!”. Aber was die ganze Situation vertrackt macht ist der andere Gedanke, dass man es selbst besser machen könnte, und wenn man all die wundervollen Familienfotos sieht, aus denen einen lachende Eltern (mit tiefen Augenringen die ich aber ja wegretuschiere) und süßeste Kinderlein anschauen, bekommt man doch manchmal ein oder zwei Sekunden lang Hormonwallungen…

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Category: Job, Leben in Australien, Reise Weise

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6 Responses

  1. *gg* Ich liebe deine Blogs, aber ich bin froh, wenn du endlich wieder in good old Germany bist ;)

  2. 2
    Schwester S. 

    Lieben Gruß von Bärbelchen. Magdalena wird im Dezember 1 Jahr alt und sieht noch mehr aus wie ein kleiner Kobold als ihre große Schwester. Jelena frisiert (ich habe jetzt eine Stern- und eine Schmetterlingsspange) und telefoniert gerne und wird nächstes Jahr 3 Jahre alt. DAS sind Hormonwallungen! :)

  3. 3
    Ma 

    Nee, die Folgen davon…. *lol*

  4. 4
    Schwester S. 

    Bei mir, liebe Mutter, sind das noch keine Folgen davon. Aber auch mein Hormonspiegel gerät bei zwei kleinen Koboldkindern ins Schwanken.

  5. 5
    Ma 

    die Koboldkinder kommen noch früh genug…..

  6. 6
    meike 

    Am Freitag war ich auf der Geburtstagsparty eines schwulen Freundes. Da wurde irgendwann über Kinder und wie man dazu kommen könnte diskutiert. Es ist als schwules Päärchen ja gar nicht so einfach an ein Kind zu kommen und da wurden fröhlich Familienmodelle diskutiert: 4-Eltern-1-Kind, Adoption im Ausland etc. Ich war etwas baff. Und jetzt habe ich ein schlechtes Gewissen und frage mich, ob ich nicht als Leihmutter für meinen schwulen Bekanntenkreis einspringen sollte.

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