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Wurzelbehandlung

Mittwoch, Januar 05th, 2011 | Author:

Eine Wurzelbehandlung ist ein guter Zeitpunkt um über sein Leben nachzudenken. Meins ist zwar auf obskure Weise unkompliziert und in angenehmem Maße aufregend, aber weitestgehend unübersichtlich. Unübersichtlich dahingehend, dass ich die meiste Zeit so sehr damit beschäftigt bin mit meinem Leben beschäftigt zu sein, dass bedauerlicherweise keine Zeit bleibt die Sinnhaftigkeit meiner Beschäftigungen zu würdigen oder gegebenenfalls zu überprüfen.

Wurzelbehandlungen stellte ich mir immer als außergewöhnlich schlimm vor, sowas wie ein Wasserrohrbruch, also etwas wo man gezwungen ist, Leib und Leben in die Händen eines Menschen zu legen, dem man nicht mal seine tote Schwiegermutter anvertrauen würde: eines Handwerkers. Doch die Behandlung erweist sich weniger schlimm als erwartet – im Gegensatz zu einer normalen Füllung wo der Bohrer grob im Zahn herumrumpelt ist dies nicht schlimmer als durchschnittlich schlechter Geschlechtverkehr: eine unspektakuläre, mechanisch-leidenschaftslose Penetration der Wurzelkanäle ohne Orgasmus. Denke ich, bis ich eine halbe Stunde lang mit geöffnetem Kiefer und Stiften im Zahn dagesessen habe um auf Röntgenbilder und die Fortsetzung der sowieso schon ewigen Behandlung zu warten.

Am Ende teilte mir der Handwerker sinngemäß Folgendes mit: “Also wir ham dat getz so gut wie ging repariert, aba da müssen wa nochma ran, da muss ne Krone drauf. Dat wird aba nich billich. Ich mach Ihnen mal nen Kostenvoranschlag fertich.” Dentaler Wasserrohrbruch.

Damit ist die Gage meines Auftritts an Silvester futsch. James Bond Gala. Der Grund warum ich die Weihnachtstage fast asketisch überstanden habe. So kanns gehen. Jedenfalls bleibt mein Sparbuch heile. Nach der Wurzelbehandlung ruft mich mein Kollege an – der gleichzeitig der größte Dentalphobiker ist den ich kenne – und regt sich über Unwesentliches auf.  Ich überlege ob ich ihm Einzelheiten der eben durchgeführten Behandlung mitteilen soll, beschließe aber dass ich auch die auditive Übertragung eines sich erbrechenden Menschen gerade nicht vertrage. Aufgrund der Betäubung kann ich darob nichtmal mit den Zähnen knirschen, geschweige denn essen. Zugegeben, es ist lustig wie die Leute gucken wenn meine Lippen aneinander vorbei schließen und mir beim Essen der Sabber aus dem Mundwinkel läuft… und gut dass es in ein paar Stunden vorbei ist.

Abends stelle ich fest, dass ich das wichtigste Requisit für die Show, eine Spielzeugpistole, verloren habe. Wo bekomme ich am Vorabend von Silvester um 20:30 eine Spielzeugpistole her? Weil alle Geschäfte zu ahebn oder keien Spielzeugpistolen, mein Kollege doof war, mein Freund unpässlich und der Zahnarzt auch nur ein Handwerker ist gehe ich wahllos in eine schlimme Kneipe mit wummernder Musik, trinke ein Bier und versuche einem wildfremden Menschen klarzumachen, dass mein Leben gerade ätzend ist weil ich keine Spielzeugpistole habe. Er versteht es nicht. Wie gesagt, auf obskure Weise unkompliziert.

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Neujahrskrankheit

Montag, Januar 04th, 2010 | Author:

Der Neujahrsmorgen ist mit einer der schlimmsten des ganzen Jahres, zumindest wenn man zu einer Kultur gehört in der Alkohol getrunken wird. Da man ja aus Fehlern lernt, hatte ich mir vorgenommen, dieses Mal nur eine Sorte Alkohol zu trinken und rechtzeitig zu Antialkoholischem umzuschwenken. In meinem jugendlichen Leichtsinn entschied ich mich für die Bowle, was auch dazu führte, dass der rechtzeitige Augenblick unbemerkt an mir vorüberging. Io und mir ging es außerordentlich schlecht. Die Details unseres Elends behalte ich für mich.

Wir schafften es im Laufe des Tages wieder, feste Nahrung zu uns zu nehmen. Als wir uns abends nach Draußen wagten, um vor dem Schlafengehen noch einmal mit frischer Luft gegen Unwohlsein und Kopfschmerzen vorzugehen, hatte der Türke um die Ecke entgegen aller Erwartung geöffnet (nicht dass es uns nach etwas zu Essen gelüstet hätte). Während wir uns gerade noch so auf den Beinen halten konnten, stand er pfeifend hinter seinem Dönerspiess und wirbelte Pizza durch die Luft. Im Grunde sind die Kulturen, bei denen zum Feiern nicht unbedingt Alkohol gehört, doch zu beneiden.

Am nächsten Tag, also gestern, hatte ich morgens um zehn Uhr eine Theaterprobe. Marko, unser Hauptdarsteller, kam mir entgegen und sah noch fürchterlicher aus als ich mich fühlte. “Es geht mir schrecklich! Silvester hat mich echt gekillt!” sagte er mit tiefen Ringen unter den Augen und aufgedunsenem Gesicht. “So heftig gefeiert?” fragte ich, froh, nicht allein Leidtragende zu sein. Er liess sich in einen Stuhl fallen und antwortete mit schwacher Stimme: “Nee, die Party war langweilig und getrunken hab ich auch nichts. Aber die hatten zwei Hunde und ein Pferd, und ich bin gegen beides wie Teufel allergisch…!”

Auch Abstinenz hilft mitunter nicht gegen Neujahrskrankheit.

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